Freitag, 18. November 2016

Nutze deine Zeit!

Liebe Geschwister. Ich möchte heute über ein Konzept reden, was in den Schriften über das Schicksal thematisiert wird. Es geht um die Frage, wie der Diener mit den Umständen in seinem Leben umgehen soll. 

Das Konzept ist auf einer Grundidee aufgebaut, welche aus zwei Elementen besteht:
  1. Taten, die ein Diener aus freien Umständen heraus tun kann.
  2. Taten, zu dem ein Diener aufgrund äußerer Umstände geführt wird.
Zu der ersten Gruppe gehören so gut wie alle Gottesdienste (ʿIbādāt). Auch wenn uns einige Gottesdienste verpflichtend auferlegt wurden, zählen sie zu dieser Gruppe, da wir sie tun, weil wir uns aus freien Umständen heraus dazu entschließen, diese zu praktizieren.

Die zweite Gruppe besteht aus den Gottesdiensten, welche sich dem Diener aufgrund bestimmter Rahmenbedingungen aufzwingen. Das einfachste Beispiel ist die Geduld während einer Prüfung (Muṣība). Die Umstände, die einem Leid und Sorge bereiten, kommen von äußeren Umständen und es ist daher unausweichlich, dass der Diener ihre Wirkung spürt. Nun kann er jedoch daraus für sein Jenseits profitieren, indem er geduldig ist und in Genügsamkeit und Dankbarkeit erträgt, was ihm auferlegt wurde.

Ein weiterer Gottesdienst, welcher in diese Kategorie fällt, ist der Ǧihād, in dem Sinne, dass der Muslim für den Ehre Verleihenden (Al-Muʿizz) in den Kampf zieht, weil er den jeweiligen Umständen unterliegt. Die Umstände des offiziellen Ǧihād sind, dass ein muslimischer Herrscher den Ǧihād ausruft und somit die Farḍ al-Kifāya (eine Pflicht, die nur von einer Gruppe der Muslime eingehalten werden muss) eintritt, und im Falle des individuellen Aufrufs durch einen Herrscher auch eine Farḍ al-ʿAyn (individuelle Pflicht) zustande kommen kann. 

Diese klassische Darstellung des Ǧihād unterliegt in heutiger Zeit wie im Falle der islamischen Dynastien zu sehen, den jeweiligen Dynastien. So sind große Gelehrte wie ʿAbdullāh Ibn al-Mubārak und Ibn Taymiyya in ihren jeweiligen Dynastien in den Ǧihād gezogen, weil der Ǧihād ausgerufen wurde. Der Ǧihād, der unter einer autonomen Dynastie geführt wird, unterliegt somit der Befehlsgewalt der Dynastie und die Bürger dieser Dynastie unterliegen der jeweiligen Regelung.
Wir finden jedoch heutzutage Streitigkeiten über die Umstände im nahen Osten und inwiefern es sich um Ǧihad handelt und ob es sich gehört, dass Muslime von Außen in Kriegsgebiete reisen, um dort diese Pflicht auszuführen. Es ist ein unklarer Fall, weil die Umstände anarchistische Züge angenommen haben und man kein allgemeines Urteil fällen kann und auch nicht alle Muslime auf der Welt für einen regionalen Kriegsfall zur Verantwortung ziehen kann. Daher obliegt das Urteil der Zeit, den Gelehrten der Zeit und des Ortes und somit soll nicht weiter darüber gesprochen werden.

Der Grund, warum ich diesen kleinen Exkurs über den Ǧihād gemacht habe ist, um zu verdeutlichen, dass er zur zweiten Kategorie von Taten gehört und wenn wir die heutigen Umstände einbeziehen, diese Art von Konflikten vielen Unklarheiten ausgesetzt ist.

Nun gibt es unter den Muslimen leider einige unwissende und unsachliche Menschen, die nicht im Krieg leben, sich jedoch den ganzen Tag mit dem Thema beschäftigen. Sie verfolgen das Leid der Muslime und vermitteln einen Eindruck, als ob der Krieg an erster Stelle stehe und die ganze Welt und jedes Individuum ihre Blicke darauf zu richten hätten. Sie untersuchen und bewerten die politischen Ambitionen und die Führer der einzelnen Staaten und ärgern sich tagein tagaus über vieles, worüber sie kein Wissen haben.

Allāh, der König (Al-Malik), der Urheber (Al-Fāṭir) und Schöpfer (Al-Ḫāliq) der Himmel und der Erde und aller Schöpfung und alles Seins, sagt im Qurʾān:

"Und verfolge nicht das, wovon du kein Wissen hast! Wahrlich, Gehör, Augenlicht und Herz, - all diese-, danach wird gefragt werden." (Sūrah al-ʾIsrāʾ - Vers 36) 

Nun kommen wir zur eigentlichen Botschaft dieses Artikels:

Kein Diener, der sich selbst und seinem Herrn gegenüber ehrlich ist, sollte die Taten preisen und anstreben, die an äußere Situationen gebunden sind, wenn er nicht einmal in der Lage ist, die Taten zu pflegen, die man aus freien Umständen heraus praktiziert.

Wir haben jeden Tag Zeit. Jeden Tag haben wir Zeit, um ein wenig die Worte unseres Herrn zu rezitieren. Jeden Tag haben wir Zeit, um einige Verse aus dem Qurʾān auswendig zu lernen. Wir haben (insbesondere im Winter) lange Nächte, von denen wir winzige zehn Minuten aufopfern können, um das Nachtgebet zu beten. Wir haben im Winter kurze Tage, um freiwilliges Fasten zu üben. Wir haben so viel Zeit, doch nutzen wir sie nicht. Wir machen uns so viel vor, indem wir uns mit Themen beschäftigen, die uns kein Stück unserem Herrn nähern und uns im Jenseits um keine Stufe erhöhen. Wir hängen an Vorstellungen und Fiktionen fest, die uns nur aufhalten...

Und so sage ich mir als auch dir mein lieber Bruder/meine liebe Schwester: 

Sei nicht töricht und nutze deine Zeit, wenn du ehrlich zu dir und zu Allāh bist. Wenn du meinst, dass du Seine Religion liebst und den Einsatz auf Seinem Wege schätzt, dann schätze nicht nur den kämpferischen Einsatz, der nicht zwingend jedem zuteil wird, sondern beweise deinen Glauben, indem du handelst, wo dir Zeit, Gesundheit und Frieden gewährt wird, denn nach all diesen Gaben, wirst du befragt werden.

"Bei der Zeit! Die Menschen sind wahrlich im Verlust; außer denjenigen, die glauben und gute Werke tun und sich gegenseitig die Wahrheit ans Herz legen und sich gegenseitig zur Geduld anhalten." (Sūrah al-ʿAṣr, Vers 1-3)

Das Problem bei den Meinungsverschiedenheiten im Fiqh

Kamāl ad-Dīn al-Udfuwī¹ (gest. 747 n.H.): „Bei den umstrittenen Rechtsfragen (masāʾil al-ḫilāf), zu denen kein spezifischer und definitiver ...