Sonntag, 21. August 2016

Hiǧra Airlines - Günstige Preise zum Mond

Krieg. Jeder von uns hat schon mal davon gehört. Große Kriege wie die Weltkriege haben wir vielleicht nicht miterlebt, aber ich denke jeder von uns hat schon von Kriegshandlungen im Nahen Osten oder damals in Tschetschenien oder Afghanistan gehört und jedes Mal gab es viel Aufschrei, dass die Muslime dabei die Unterdrückten waren und für Haqq kämpfen mussten. Für einen islamischen Staat, für ein Kalifat, gegen die Demokratie usw.

Aber wusstet ihr, dass schon ab 1147 die sogenannten  Al-Muwaḥḥidūn (lat. Almohaden) in Andalusien für ein Kalifat gekämpft haben? Gegen ihre eigenen Brüder. Davor herrschten dort die al-Murābiṭūn (lat. Almoraviden). Wenn man sich die Geschichte von Andalusien durchliest, fühlt es sich nicht so brutal an, wie wenn wir über heutige Ereignisse im Nahen Osten lesen. Es wirkt vielmehr wie Geschichte, bei der man sagt: "das war alles damals/ ist schon lange her". 

Aber Fakt ist, dass dort innerhalb vieler Jahrhunderte verschiedene muslimische "Reiche" gegründet und gestürzt wurden. Muslime bekämpfen Muslime und teilweise verbünden sich Muslime mit christlichen Grafschaften, um gegen ihre eigenen Brüder zu kämpfen... Für einige klingt dieses Szenario sehr vertraut. Wenn man sich in den heutigen Syrien-Konflikt einliest, findet man genau solche Darstellungen.

Wisst ihr, was die alten und heutigen Schlachten und Kämpfe und Kriege verbindet? Es ist die Gewissheit jeder Anhänger, dass er für eine große Sache kämpft. Für seine Wahrnehmung von der Wahrheit. Jeder könnte sein ganzes Hab und Gut für seine "Mannschaft" verwetten, aufgrund der Vorstellungen und Überzeugungen, die durch Glaubenselemente geschmückt und in die Köpfe der Menschen eingehämmert wurden.

Heutzutage kommt noch der Faktor hinzu, dass wir alle kriegerischen Handlungen mit einer sehr großen Portion Emotionen und Unsachlichkeit schmücken können, weil viele Menschen ungerechterweise getötet werden. Kinder, Ältere und Frauen. Das ist natürlich traurig. Sehr sogar. Aber diese Trauer und diese große Menge an Mitleid, die wir für all diese Menschen aufbringen müssen, führt dazu, dass wir 1. unseren Mitleid pro Person sehr klein portionieren ("Sekundenmitleid") und 2. dabei alle Gehirnbereiche ausschalten, die für das vernünftige Denken zuständig sind.

Plötzlich wird jeder ungerechte Soldat der bösen Armee verflucht und beleidigt und Flüche auf ihn und seine Sippe gesprochen. Doch so einfach ist das nicht. Wer sich ein wenig mit Politik und Kriegswesen beschäftigt hat, der weiß ganz genau, dass die Probleme nicht mit der Verurteilung gelöst werden sondern mit Verständnis. Ein weiser Mann sagte einst: "Sei dir bewusst, dass derjenige, der dir unrecht tut, dies mit dem Bewusstsein tut, dass er im Recht ist."

Jeder denkt, dass er im Recht ist. Jeder denkt, dass er für das Richtige kämpft. Auch wenn dabei Kinder und Frauen sterben müssen. Jeder macht sich zu einem Sklaven eines großen Schauspiels. Zwei "Mannschaften" treten einander an, jeder hat seine Fans und Befürworter. Jeder macht sich zu einem Sklaven, indem er sich unter eine Ideologie einordnet und wer sind diejenigen, die dabei keine Schuld tragen? Es sind diejenigen, die unglücklicherweise genau dort gewohnt haben, in denen zwei Mannschaften ihr Schachspiel austragen. 

Und dann gibt es noch die schlauen Personen im Westen, die mit den hiesigen Mitteln ihre gesamte Religion lernen und zu Gelehrten werden KÖNNTEN und damit den Wissensstand der Muslime anheben könnten aber lieber von den Emotionen angetrieben handeln und den ganzen Tag auf sozialen Netzwerken jammern und von der Hiǧra träumen in das Land der Erlösung. Schnell noch einige passende Gelehrtenaussagen und Überlieferungen des Propheten zusammenkratzen, damit man das jeweilige Land als das heilige Land labeln kann, damit man jeden Antrieb dahin islamisch rechtfertigen kann. Als ob es nicht schon zuvor zahlreiche Kriege in diesen Gebieten gegeben hätte und der Messias ist bei keinem dieser Kriege aufgetaucht. 

Jeder erhofft sich die Verwirklichung seiner Vorstellungen und Fantasien, gefüllt von emotionalen Dramen und dem Inhalt eines Actionfilm-Drehbuchs. Weinende Kinder und zerstörte Häuser füllen unseren News-Feed und das einzige, was man hinkriegen will, ist das Posten von passenden Aussagen und Versen und Überlieferungen und das Erzeugen von düsterer Atmosphäre und Pseudo-Depressionen, an denen man sich aufhängt und dann am Ende doch nichts zustande bringt.

Weder lernt man eine Seite des Qurʾāns auswendig, noch lernt man etwas anderes über seine Religion, noch bringt man anderen etwas bei, noch hilft man anderen und man lebt und endet als nutzlose Person, die sein Leben lang von irgendwelchen Auswanderungen träumt und sich die Welt auf unschönste Art und Weise ausmalt, damit man weiterhin innerhalb dieser ganzen traurigen Nachrichten im Suff der eigenen Untätigkeit zufrieden bleiben kann.

Wer richtig handeln will, muss selber nachdenken. Denn die meisten Menschen, die nicht nachdenken, erreichen nichts, als dass unschuldige Bürger darunter leiden und Menschen sich dafür aufopfern müssen, dass diese unschuldigen Personen entweder von diesen Kriegen entfernt werden oder medizinisch oder anderweitig versorgt werden müssen. Politische Konflikte werden als Spiel zwischen teuflischer Machtbesessenheit und angeblich religiös heiliger Motivation geführt und dabei in Kauf genommen, dass das Leben von Hunderttausenden von Menschen zur Hölle wird.

Politik ist ein jämmerliches Spiel. Und diejenigen, die sich tagtäglich pseudopolitisch in diese Diskurse einbringen, machen sich nur lächerlich. Sie erreichen nichts und sie bewirken nichts und sie verstehen nichts und sie denken, dass sie die Welt verstanden hätten, weil irgendwelche Facebook-Prediger oder Theoretiker gut geschnittene News-Sendungen raus bringen und in wenigen Minuten die ganze Welt erklären wollen.

Wir müssen unsere Prioritäten ändern. Wir müssen unser Verhältnis mit unserem Herrn verbessern und wir müssen uns von allen Zwängen befreien. Wir müssen das Bewusstsein wiederbeleben, dass Allāh derjenige ist, der die Welt in Ordnung bringt. Daher müssen wir aufhören, so verkrampft bestimmen zu wollen, was diese Welt benötigt und uns darauf einlassen, dass wir uns und unsere Religion voranbringen, so dass unser Herr unsere Lage ändert.

So sagt Allāh, der zu allem imstande ist (Al-Qadīr) im Qurʾān:

"Nicht ihr habt sie getötet, sondern Allāh hat sie getötet. Und nicht du hast (den Pfeil) geworfen, sondern Allāh hat (den Pfeil) geworfen. Auf dass Er den Gläubigen damit einer schönen Prüfung unterzieht. Gewiss, Allāh ist Allhörend (Samīʿ), Allwissend (ʿAlīm)." (Sūrah al-ʾAnfāl - Vers 17)

Damit sagt unser Herr sinngemäß: "Denkt nicht, dass ihr irgendwas bewirken könntet. Allāh bewirkt." Und wenn Allāh der Bewirker aller Dinge ist, so wird Er auch die Besserung bringen. Doch dies hat seinen Preis und der beginnt mit dem Gehorsam. Gehorsam gegenüber Seiner ersten Worte an uns:

"Lies! Im Namen deines Herren, der erschuf." (Sūrah al-ʿAlaq - Vers 1)

Samstag, 13. August 2016

Die große Befreiung

An einigen Stellen in diesem Blog hab ich immer wieder darauf hingewiesen, dass wir oft in unseren eigenen Vorstellungen festhängen und uns dadurch eine individuelle Brille maßschneidern, mit der wir dann die Welt gemäß unserem Willen und unserer eigenen Vorstellung betrachten.

Dazu gehören aber auch alle Wertevorstellungen. Man kann jetzt einwenden und sagen, dass wir als Muslime doch den Islam als eine Quelle besitzen, aus der wir unsere Werte entnehmen und somit keine Uneinigkeit bei der Frage nach den Werten entstehen kann. Das ist zwar so als grundlegende Annahme richtig, aber praktisch neigen wir dennoch dazu, uns an bestimmte Vorstellungen festzubinden, und uns damit in einen Käfig zu sperren, bei dem wir zwar denken, dass wir uns an religiösen Werten orientieren würden, aber eigentlich unsere eigenen Vorstellungen maßgebend mit einbauen.

Um zu verdeutlichen, was ich meine, möchte ich euch einige Beispiele nennen, die ich und einige Brüder häufig erleben, wenn uns Fragen zum Islam gestellt werden:

Zwang-Vorstellungen: Das bedeutet, dass man eine Sache mit einer anderen Sache zwingend verbinden möchte. Häufig erleben wir dies, wenn Fragesteller ein Problem haben und schon selbst eine volle Diagnose ihres Problems gemacht haben und dann eine Lösung haben möchten.

Beispiele: Jemand hat Schmerz XYZ und denkt, dass das von Ǧinn kommt und möchte dann wissen, was man dagegen machen kann. Der Einwand: Warum denkt diese Person, dass sein Problem ausgerechnet was mit Ǧinn zu tun hat? Wieso hat er diese Vorstellung?

Oder allgemeiner: Jemand möchte eine Sache unbedingt machen/haben/erreichen weil er meint, dass er genau diese Sache braucht und dass das gut für ihn ist.

Hier erklärt sich eine Person schon selbst die Welt und die Probleme und ihre Ursachen. Ein Verhalten, bei dem man im Herzen kaum einen Raum offen lässt für eine andere Diagnose.

Dieses Verhalten kommt sehr oft vor. Man hat nämlich eine Vorstellung, an der man krampfhaft festhalten möchte. Wenn wir dann alternative Vorschläge machen, kommen dann oft auch Reaktionen, die andeuten, dass das nicht die Antwort ist, die man sich von uns gewünscht hätte.

Persönliche-Zwänge: Das sind Probleme, die nur auf der persönlichsten Ebene existieren. Ich habe dieses Problem bereits in Form von Liebeskummer erklärt, wobei man nicht von einer Vorstellung loslassen kann. Ein weiteres Beispiel ist, wenn zwei Personen verstritten sind und man sich schwertut, diesen Konflikt aus der Welt zu schaffen.

Wenn man sich nur ein wenig bemüht, aus sich selbst heraus zu treten und die Situation wie ein Außenstehender betrachtet, würde man erkennen, dass die Dramen, in die man sich zwingt, vollkommen überspitzte Szenarien sind.

Auf diesen beiden Zwängen baut alles Übel auf. Jede Übertreibung, jede Intoleranz und jede Maßlosigkeit baut darauf auf, dass man sich an eine Vorstellung klammert, die man wahrscheinlich von irgendjemanden oder von der gesamten Gesellschaft erzählt bekommen hat.

Wenn man sich von allen Vorstellungen dieser Art löst und alle eingetrichterten Vorstellungen überdenkt, kann man zu einem mündigen Menschen werden.

Mündig zu sein heißt, dass man bewusst denkt und handelt. Man tut und glaubt nichts, weil es einem so gesagt wurde, sondern weil man sich intensiv damit beschäftigt hat und das Vertrauen und das Bewusstsein entwickelt hat, um sagen zu können, dass man etwas tut oder denkt, worüber man wirklich Wissen besitzt.

Möchtest du uns damit sagen, dass wir den Gelehrten nicht folgen sollen? - Nein, das mag man als Hater vielleicht so rauslesen, aber mit meinem Text möchte ich dies nicht sagen. Gelehrten kann und sollte man vertrauen. Aber auch hier gilt: Vertraue einem Gelehrten nicht, weil man dir von seiner Vertrauenswürdigkeit erzählt hat, sondern informiere dich selbst über jede Person, von der du Wissen nimmst. Vergewissere dich, dass diese Person abgesehen von seinem Wissen auch Weisheit und Verständnis für die Menschen und ihre Umstände besitzt.

Wenn es um Werte und Vorstellungen geht, die durch unsere Religion gegeben werden, benötigt diese Befreiung natürlich Kenntnis und Wissen über die Grundlagen der Religion. Dazu muss man kein Gelehrter sein, sondern man muss wissen, wie man mit Wissen umzugehen hat. Es verbreiten sich nämlich oft solche Parolen wie "Wer der leichteren Meinung folgt, folgt seinen Gelüsten" und als Laie klingt das vielleicht plausibel und richtig. Aber damit man erkennt, dass solche Aussagen so an sich nicht der Wahrheit entsprechen, muss man sich bei jeder Belehrung in dieser Art fragen "Ist das wirklich so?"

Wir müssen uns befreien und dürfen uns nicht abhängig machen von anderen. Wir lieben und ehren die Gelehrten und nehmen Wissen von ihnen. Aber auch ihnen gegenüber dürfen wir nicht übertreiben. Diese Form der Übertreibung zeigt sich z. B. dadurch, dass man nicht akzeptieren möchte, wenn jemand einem Gelehrten nicht folgt, den wir persönlich sehr vertrauensvoll finden.

Diese Kerker, die keine Flexibilität bieten, engen uns ein und verhärten uns. Und der Teufel liebt es, wenn er Diener findet, die keinen Bewegungsfreiraum haben. Denn wer sich in seinem Verständnis nicht bewegen kann, der kann schnell in Bedrängnis und in Schwierigkeiten geraten. So kommt es oft dazu, dass diese Leute Einflüsterungen bekommen und darüber zweifeln, ob sie überhaupt noch Muslime sind, da sie nicht in der Lage sind, diese Einflüsterungen aufzuheben.

Wir müssen frei sein. Sachlich und objektiv. Die Emotionen und persönlichen Vorstellungen müssen in den Hintergrund treten. Erst dann werden wir der Wahrheit um einige Schritte näher kommen können.

"Begreifen sie nicht?" (Sūrah Yāsīn - Vers 68)


Freitag, 5. August 2016

Bist du enttäuscht?


Was bedeutet es, enttäuscht zu werden?

Enttäuschung bedeutet, dass man etwas erwartet und dies nicht in Erfüllung geht. Manche haben sehr hohe Erwartungen an das Leben und daher erleben sie auch oft sehr große Enttäuschungen. Andere haben sich einen festen Lebensweg gezeichnet und sind oft enttäuscht, wenn ihr Leben nicht nach Plan läuft.


Andere sind über Menschen enttäuscht, von denen sie bestimmte Verhaltensweisen nicht erwartet hätten. Und die schlimmste Form der Enttäuschung ist, wenn jemand von Allāh enttäuscht ist. 

Man wird sich wundern und fragen, wie es überhaupt dazu kommen kann, dass jemand von Allāh, dem Erhabenen (Al-ʿAẓīm) enttäuscht sein kann? Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. Man muss etwas von Ihm erwarten, was Er nicht erfüllt hat. Warum erwartet man so etwas? Und was macht man dabei falsch? Damit müssen wir uns genauer auseinandersetzen.

Die grundlegende Prämisse (Annahme) bzw. Überzeugung für uns als Muslime ist, dass unser Herr frei von Fehlern und Unvollkommenheit ist. 


Der erhabene Herr spricht im Qurʾān:


"Sprich: 'Er ist Allāh, der Einzige - Allāh, der Absolute (As-Ṣamad)' " (Sūrah al-ʾIḫlāṣ - Verse 1-2) 


Daraus folgt, dass Er nichts Falsches macht. Wenn Er also etwas zulässt, was man nicht von Ihm erwartet, dann ist die Schuld erstmal ganz sicher nicht bei Ihm. Problem ist jedoch unsere Vorstellung von dem, was gut und was schlecht ist. Wir füllen bestimmte Ereignisse mit unserer individuellen Wahrnehmung und unseren Bewertungen, so dass wir festlegen wollen, was gut und was schlecht ist. Doch der Mensch ist prinzipiell beschränkt und nicht in der Lage, solche Werte absolut zu ermitteln. Sogar wenn man mit Vernunft so nah wie möglich an die absoluten Werte herankommen möchte, so muss man dabei immer noch Platz für genug Demut und Bescheidenheit freilassen, durch die man sich bewusst werden muss, dass man nie mit Gewissheit die richtige Wertvorstellung getroffen hat.

Der Allmächtige (Al-Qādir) sagt im Qurʾān:
"Sprich: 'O Allāh, Besitzer des Königtums, Du gibst Herrschaft, wem Du willst und Du nimmst die Herrschaft, wem Du willst. Du ehrst, wen Du willst und Du erniedrigst, wen Du willst. Von deiner Hand kommt das Gute. Wahrlich, du bist über alle Dinge bestimmend.' " (Sūrah ʾĀli ʿImrān - Vers 26)

Allāh unser erhabener Herr legt hier fest, dass sein Handeln stets das Gute ist. Er definiert und füllt somit seine Bestimmungen als das Gute. Dies zu akzeptieren bedeutet für uns, einzusehen, dass Allāhs festgelegte Werte die eigentlichen Werte sind und nicht unsere subjektiven Wahrnehmungen. Seine Werte sind somit die absoluten. 

Warum erwartet man also etwas von Allāh, was er nicht erfüllt? Weil man offensichtlich unwissend darüber ist, dass man Allāh in der Untersuchung von gut und schlecht nicht unter ein Wertsystem einordnen kann. Vielmehr steht Er, der Allumfassende (Al-Wāsiʿ) über allen Maßstäben und sein Wille definiert alle Maße.

Wer also von Allāh enttäuscht ist, hat sich selbst unwissentlich vergöttert, indem er davon ausging, dass er genauer als Allāh weiß, was gut und schlecht ist. Wenn man im Vorhinein Allāhs Bestimmungen als die vollkommensten ansieht, der hat niemals diesen Raum für falsche Erwartungen und Enttäuschungen.

Diesen Fehler machen wir dennoch mehr oder weniger in einer anderen Form. Es geht dabei darum, dass wir für uns selbst Dinge wünschen, die wir unbedingt erzwingen wollen und die wir für uns als das Notwendige oder das Gute ansehen. (Beispiel: Erfolg in einer Klausur, eine bestimmte Arbeitsstelle, die man sich wünscht, ein bestimmter Gegenstand, eine bestimmte Person, die man heiraten will, eine bestimmte Reise usw.) Das sind alles schöne und gute Dinge. Objektiv betrachtet sind sie nicht mit Werten gefüllt. Sie können also für unsere persönliche Entwicklung gut oder schlecht sein. Dies können wir im Vorhinein erstmal nicht wissen.

Es gibt eine sehr einfache Regel, die wir als Muslime beachten müssen, wenn es um neutrale Dinge geht, die gut als auch schlecht sein können. Keiner von uns darf sich anmaßen, solche Dinge als absolut gut oder schlecht zu definieren. Denn wir würden uns etwas erlauben, was nicht in unserer Hand liegt und was nicht mit unserem beschränkten Wissen erfasst werden kann. Wir wissen nicht, wie sich solche Dinge auf unsere Zukunft und auf unsere Bestimmung im Jenseits auswirken können. Deshalb dürfen wir solche Dinge auch nicht als absolut notwendige Dinge erwarten. Wenn wir dies nicht tun, ersparen wir uns eine Menge Enttäuschungen.

Wir müssen immer in Betracht ziehen, dass Allāh uns von den schlechten Mitteln entfernen und zu den guten Mitteln führen wird, wenn wir immer mit dieser Einstellung auf die neutralen Ziele zulaufen. Wenn unser Herz offen ist für jedes Ergebnis, dann werden wir mit jedem Ausgang zufrieden sein, mit dem Wissen, dass unser Herr uns die bessere der vielen Optionen geben wird. 

Letztendlich machen wir auch das Istiḫāra Gebet, bei dem wir Allāh eine Sache überlassen. Wir gestehen uns dabei ein, dass wir nichts wissen und über nichts gebieten und dass Allāh über alles Bescheid weiß und alles seiner Bestimmung unterliegt. Wir öffnen unser Herz für jeden Ausgang, da wir wissen, dass Allāh der Bestimmer des Guten ist und jeder Ausgang, zu dem er uns führt, gewiss das Gute ist.

Auch bei diesem Thema sehen wir bei den Propheten schöne Beispiele, die uns unser Herr im Qurʾān erzählt:

"Und er (Mūsā) sagte: 'O Herr. Ich bin bedürftig über das, was du mir an Gutem senden mögest.' " (Sūrah al-Qaṣaṣ - Vers 24)

"Und gedenke Ayyūb, als er zu seinem Herrn rief: 'Mich hat wahrlich Unheil erreicht, und Du bist der Barmherzigste aller Barmherzigen.' " (Sūrah al-ʾAnbiyāʾ - Vers 83)

Wir sehen hier zwei Beispiele für etwas, was die Gelehrten als die Schamhaftigkeit der Propheten bezeichnen. Es handelt sich hierbei um eine Scham, etwas von Allāh zu erbitten, aufgrund der Angst, dass sie etwas verlangen könnten, von dem sie denken, dass es gut für sie sei, aber Allāh dies in seinem Allwissen als etwas schlechtes für sie weiß. Daher entziehen sie sich der konkreten Wünsche und wünschen nur das Gute im Allgemeinen, so dass sie sich sicher sein können, dass sie keine konkreten Erwartungen haben und somit auch nicht enttäuscht werden können, weil sie wissen, dass alles, was auf diese Haltung folgt, das Gute von ihrem Herrn ist.

So lasst uns sprechen:

"Unser Herr! Gib uns in dieser Welt Gutes und im Jenseits Gutes und verschone uns vor der Strafe des Feuers!" (Sūrah al-Baqara - Vers 201)

(Rabbanā ʾātinā fid-dunyā ḥasanah - wa fil-ʾāḫirati hasanah - wa qinā aḏāb an-nār)

Das Problem bei den Meinungsverschiedenheiten im Fiqh

Kamāl ad-Dīn al-Udfuwī¹ (gest. 747 n.H.): „Bei den umstrittenen Rechtsfragen (masāʾil al-ḫilāf), zu denen kein spezifischer und definitiver ...