Freitag, 29. Juli 2016

Online Diskussionen #MuslimProblems

Mein Hauptanliegen mit diesem Blog ist es, wichtige Themen anzusprechen, bei denen die Muslime in der heutigen Zeit oft einen Mangel an ethischen Kenntnissen zeigen. Sie wissen also nicht, wie man sich zu benehmen hat, wobei doch die Regeln rund um das richtige Benehmen einen der wichtigsten Faktoren innerhalb der Repräsentation der Religion und der Einladung zu ihr darstellen.

Eines dieser Felder, in denen Muslime wirklich abgrundtief schlechte Züge zeigen können, ist das Feld der Online-Diskussionen. Die Muslime, zu denen der Allumfassende (Al-Wāsiʿ) folgendes in seinem Buche sprach:
"Rufe zum Weg deines Herren auf, mit Weisheit und schöner Ermahnung - und streite mit ihnen auf die beste Art. Dein Herr weiß gewiss, wer von seinem Wege abgeirrt ist und er weiß wohl, wer die Rechtgeleiteten sind." (Sūrah An-Naḥl - Vers 125)

Genau die Menge, zu denen dieser Vers spricht, verhält sich manchmal so unschön, dass man seine Verwunderung nicht in Worte fassen kann.

Folgende Verhaltensweisen und Probleme zeigen sich sehr häufig:

Problem #1 : Diskretion & Anonymität

Der erste Faktor ist die Diskretion. Das bedeutet, dass man einen gewissen Abstand zu den anderen hat. Man kann tun und sagen, was man will, ohne irgendwelche Konsequenzen zu fürchten. Dies führt dazu, dass man die schlimmsten Aussagen und Beleidigungen nutzen kann, ohne spüren zu müssen, dass der andere einem ins Gesicht schaut und ohne, dass man dem anderen dabei ins Gesicht schauen muss.

So wie Allāh im Qurʾān über die Heuchler sagt:

"Sie würden euch nicht bekämpfen - nicht einmal alle zusammen -, außer in befestigten Städten oder hinter Mauern." (Sūrah al-Ḥašr - Vers 14)

Diese Eigenschaft der Hinterhältigkeit kommt denjenigen zu, die unaufrichtig sind. Normalerweise. Doch heutzutage erleben wir, dass auch viele Muslime sich hinter den "Mauern" der Online-Welt besonders groß fühlen und sich zu Sachen trauen, deren Konsequenzen sie nicht berücksichtigen. Der Grund wieso es überhaupt dazu kommt, führt uns zum nächsten Problem.

Problem #2 : Unwissenheit und Überheblichkeit

Das Problem mit der Unwissenheit ist, dass sie wie ein Gift ist. Je unwissender man ist, umso mehr wirkt sie als Nährboden für Untugenden. Man muss sich nämlich vorstellen, wie das Wissen überhaupt auf einen Unwissenden wirkt. Wenn man keine Ahnung hat und man plötzlich etwas lernt, dann ist das sehr viel im Gegensatz zu dem, was man vorher wusste. Man fühlt sich nun sehr besonders, weil man das Gefühl hat, sehr viel gelernt zu haben. Hierbei entsteht das Problem aber nur deshalb, weil man seinen neuen Wissenstand mit dem vorherigen vergleicht. Dabei muss man sein Wissen mit dem abwägen, was man noch nicht weiß. Das führt aber logischerweise dazu, dass man einsehen muss, dass man noch sehr sehr unwissend ist und hier meldet sich dann das Ego und möchte dieses Minderwertigkeitsgefühl nicht akzeptieren.

Wer es also nicht schafft, bescheiden zu akzeptieren, dass er noch eine Menge nicht weiß und daher lieber schweigen sollte, fängt stattdessen an, überheblich zu werden und Freunde und Bekannte auf aaallll ihre Falschheiten und Irrlehren aufmerksam zu machen. Plötzlich ist die gesamte Welt voller falschen Erneuerungen (Bidaʿ) und nur man selbst hat den perfekten Lebensstil nach Qurʾān und Ahlu Sunnah wal-Ǧamāʿah. Später heißt es dann immer so ganz lässig "Ich bete nicht in dieser und jener Moschee, weil die sind nicht von Ahlu Sunnah" als ob das irgend eine Gang wäre, die mit allen anderen Gangs verfeindet ist.

Und dieses coole Ahlu-Sunnah Label nutzt man dann auch im Internet, um die ganzen bösen Sekten zu widerlegen. YouTube Kanäle, Facebook Seiten und viele weitere kreative Mittel werden eingesetzt, um Widerlegungen am Band rauszuhauen. 

Und wenn es dann zu Diskussionen kommt, fängt es immer damit an, dass beide Seiten lange und zahlreiche Zitate von Gelehrten hin und her copy&pasten und wenn beide Seiten dann die jeweils andere Seite nicht einsehen und akzeptieren wollen, kommen die Beleidigungen die meistens immer mit dem Präfix "dreckig" anfangen, wie "du dreckiger mubtadiʿ" usw. bis es so schlimm wird, dass es gar nicht mehr um die islamischen Themen geht, sondern man nun anfängt, die Personen oder sogar die Gelehrten zu schmähen, die für eine Position stehen.

Am Ende wird die Rage dann mit einem bösen Bittgebet beendet und man geht auseinander. Wer gewinnt? Genau! Der Teufel. Der sitzt nämlich schon die ganze Zeit dabei und isst gemütlich sein Popcorn und erfreut sich an den Sünden, die beide Seiten dabei begehen.

Problem #3 : Fatāwa

Es gibt ein exklusives Problem bei uns in Deutschland und zwar, dass nur bestimmte Rechtsgutachten (Fatāwa) übersetzt werden. Je nachdem, wer die meiste Arbeit in der Übersetzung betreibt, kann somit der gesamten muslimischen Community, welche nicht der arabischen Sprache mächtig ist, ein Schwerpunkt vermitteln, der vielleicht bei den jeweiligen Gelehrten gar nicht der Fall ist.

Es werden Fiqh Meinungen übersetzt und so dargestellt, dass es nur eine Meinung oder eine deutlich starke Meinung gibt und alle anderen Meinungen schwach seien oder es wird von einem Gelehrten nur zur einer Thematik etwas übersetzt, so dass dieser Gelehrte für die deutsche Community so wirkt, als ob er in eine gewisse Richtung geneigt sei usw.

Dies führt zur Polarisation und zur Verschleierung der Realität. Es werden gewisse Schwerpunkte gesetzt und gewisse Neigungen erzeugt, wodurch sich solche Spannungen unter den Muslimen provozieren lassen können. Die Unwissenheit über die möglichen Meinungsverschiedenheiten führt dazu, dass man halt sehr lange davon ausgeht, dass es nur eine Meinung zu einer Sache gäbe und wenn dann einer kommt und das Gegenteil behauptet, entsteht Streit, weil Veränderung das Letzte ist, was der Mensch leiden kann. Wir sind "Gewohnheitstiere" und wenn wir eine Sache eine lange Zeit so annehmen, dann ist das nicht leicht, dass wir uns einfach mal davon loslösen.

Wir müssen also genau deswegen immer in Betracht ziehen, dass zu den übersetzten Themen noch eine Menge hinzukommen könnte und man noch einiges dazu lernen kann. Meinungsverschiedenheiten enstehen nicht einfach so und wenn die Wahrheit immer so klar wäre, würden sie nicht entstehen. Man muss aus diesen Fakten heraus für sich erkennen, dass die Gelehrten schon bescheid wissen, bevor sie Urteile geben und dass somit jeder Gelehrte für seinen Standpunkt auch sicher eine Erklärung hat. Gelehrte sind keine Otonormalmuslime wie du und ich, die man darauf aufmerksam machen müsste, dass dort noch ein anderer Ḥadīṯ vorkommt, der etwas anderes sagt. Sie wissen in der Regel über alle textuellen Grundlagen bescheid und haben schon den Überblick, den wir meistens nicht haben. 

Wir sollten also mindestens tausendmal ins Unendliche überlegen, ob wir einem Gelehrten Unwissenheit vorwerfen wollen.

Problem #4 : Literatur-Mangel zu Adab und Aḫlāq

Auch hier ist das Problem, dass wir zu wenig Zugänge in deutscher Sprache haben. Die meisten Unterrichte zum guten Benehmen und zu islamischen Charaktereigenschaften finden sich in anderen Sprachen. Es gibt viele englische Vorträge über dieses Themengebiet. Aber entweder verstehen manche kein Englisch oder man hat keine Lust, sich 60 Minuten über gutes Verhalten vollquatschen zu lassen. Stattdessen guckt man 60 Minuten Widerlegungsvideos - ist ja auch viel spannender mit den ganzen Special Effects.

Und zum Thema Bücher will ich gar nicht erst kommen. Ich denke in einem der früheren Artikel habe ich genug deutlich gemacht, dass wir eine starke Bücher-Allergie haben und dies mag einer der größten Ursachen für unsere Unwissenheit sein.

Wir müssen uns bemühen, die guten Verhaltensregeln zu erlernen und zu verbreiten. Denn diese sind wichtiger, als die meisten glauben. Mit dem guten Verhalten beginnen die Blüten der Daʿwah. Mit dem guten Verhalten werden die Herzen erobert und Liebe erzeugt.

Unser Herr hat sich nicht umsonst Al-Ḥalīm genannt. Er ist der Weichmütige, derjenige, der im Verhalten zu seinen Dienern die größte Sanftheit und das größte Verständnis zeigt. Wir lieben doch diejenigen, die uns ihre Zuneigung und ihr Verständnis zeigen. Deshalb lieben wir unseren Herrn und wenn wir diese Weichmütigkeit anstreben, werden uns auch die Menschen lieben und somit einen guten Eindruck vom Islam bekommen.

Montag, 25. Juli 2016

Überall fremd? Vielleicht bist du einfach schuld?

Der Prophet, Friede und Segen auf ihm, sagte:
"Der Islam begann als etwas Fremdes und wird als etwas Fremdes zurückkehren. Und frohe Botschaft für die Fremden." (Bei Muslim überliefert - 2. Buch Hadith 389)

Komischerweise wird dieser Ḥadīṯ oft im Zusammenhang mit Szenarien zitiert, wo Erfolglosigkeit im Raum ist. 

Jemand wird bei einem Bewerbungsgespräch abgelehnt.
Jemand schafft seine Prüfungen nicht und bricht die Schule ab.
Jemand wird vor Gericht für eine Straftat bestraft.
Jemand kriegt sein Leben nicht auf die Reihe.

Und auf wundersame Art und Weise erklärt man sich all diese Misserfolge wodurch? Selbstverständlich mit dem Tawḥīd und dem Islām. "Es ist klar, dass die Kuffār uns nicht helfen und die wahren Muslime benachteiligen. Erst wenn man ein bartloser und rauchender Hobby-Muslim wird, eine Freundin hat und den Kuffār nacheifert, werden sie mit dir zufrieden und geben dir, was du willst." 

Ich gebe zu, das ist ein wenig überspitzt. Aber dennoch sind solche und solcherlei Einstellungen ein Teil unserer Realität. Wir finden Geschwister, die ihre Probleme und ihr Versagen immer auf andere schieben wollen. Sie sind zwar stolz auf ihre Religion, aber begreifen nicht, dass sie das Label "Muslim" gänzlich für ihre Identitätskrisen missbrauchen.

Der Islam ist in dem Ḥadīṯ nur deshalb als fremd bezeichnet worden, weil er allgemein immer und immer wieder eine hohe Anzahl an Verleugnern haben wird. Die ethischen und sozialen Gebote werden immer gegen die niedere Natur der Menschen sein. So wird man fremd, wenn man viel spendet, während die Mehrheit der Menschen geizt. Man wird fremd, wenn man denjenigen anlächelt, der einen gerade beleidigt. Man wird fremd, wenn man sich erniedrigt, nur um Frieden zu stiften. Man wird fremd, wenn man immer dankbar ist.

Der Lebendige (Al-Ḥayy) sagt im Qurʾān:

"Und nur wenige von meinen Dienern sind dankbar." (Sūrah Sabaʾ - Vers 13)

"Wahrlich ist Allāh voller Huld gegenüber den Menschen, jedoch danken die meisten Menschen nicht." (Sūrah al-Ġāfir - Vers 61)

Der Islām ist nicht der Grund für unsere Probleme meine lieben Geschwister. Der Islām ist sogar ein Grund für Vorzüge und für die guten Umstände. Diejenigen Muslime, die wir in der Geschichte sehen können und welche den Islām verinnerlicht haben, waren stets exzellente Persönlichkeiten. 

Unser Herr, der großzügig Vergeltende (Aš-Šakūr) sagt im Qurʾān:

"Und wir schrieben in den Psalmen (Zabūr) nach der Ermahnung, dass unsere rechtschaffenen Diener die Erde/das Land erben werden." (Sūrah al-ʾAnbiyāʾ - Vers 105)

Hier verbindet Allāh das Erbe der weltlichen Güter mit der Eigenschaft der Rechtschaffenheit. Die rechtschaffenen Diener haben also nie über ihre materiellen/weltlichen Umstände besorgt zu sein. Sogar wenn der rechtschaffene Diener in Armut lebt, weiß er, dass Allāh ihn die Versorgung geben wird und ohne zu jammern und ohne Erniedrigung weiß er in Dankbarkeit zu ertragen, was ihm an Zuständen widerfährt. 

Somit, meine lieben Geschwister, dürfen wir den Islām nicht dafür nutzen, um unsere Misserfolge zu erklären. Erfolg kommt durch die Taten, die wir tun und durch die Arbeit, die wir leisten, auf die Allāh Gnade, Huld und Segen folgen lässt. 

Wir sollten die Schuld immer bei uns selbst suchen, denn dies ist die Eigenschaft der Propheten, die ja die höchsten der Rechtschaffenen sind.

So erzählt uns der Allmächtige (Al-Ǧabbār) im Qurʾān ihre Geschichten:

"Und Sie (ʾĀdam und seine Frau) sagten: 'Unser Herr! Wir haben uns selbst Unrecht zugefügt. Und wenn du uns nicht vergeben solltest und dich unser nicht erbarmst, so werden wir ganz gewiss von den Verlorenen sein.' " (Sūrah al-ʾAʿrāf - Vers 23)

"Er (Mūsā) sagte: 'O Herr! Ich habe mir selbst Unrecht zugefügt, so vergib mir.' Da vergab Er ihm, denn Er ist ja der Allvergebende (Al-Ġafūr) und Barmherzige (Ar-Raḥīm)." (Sūrah al-Qaṣaṣ - Vers 16)

"Und auch der Mann mit dem Fisch (Yūnus), als er erzürnt wegging. Da meinte er, Wir würden ihm nicht den (Lebensunterhalt) bemessen. Und da rief er in den Finsternissen: "Es gibt keinen Gott außer Dir! Preis sei Dir! Gewiss, ich gehöre zu den Ungerechten." (Sūrah al-ʾAnbiyāʾ - Vers 87)

Hieraus erkennen wir also: Wenn die Propheten in eine schlimme Lage geraten sind, haben sie immer auf ihre Fehler zurück geschlossen. Sie haben erkannt, dass sie das Schlechte nur deshalb trifft, weil sie durch ihre Fehler etwas vorausgeschickt haben, was sie in Form vorn Erschwernissen wieder eingeholt hat.

Daher sollten wir uns nicht über die Menschen oder über das Land, in dem wir leben beschweren. Wir sollten nicht immer alles und jeden so interpretieren, als ob wir exklusiv als Muslime von allen gehasst werden und man uns gegenüber feindlich gesinnt ist. Es ist nämlich nicht so. Denn es kommt immer darauf an, mit welcher Brille wir die Realität betrachten. 

Wenn wir den Weg des Teufels gehen wollen, werden wir sagen:

"Ich bin besser als er" (Sūrah Ṣād - Vers 76)

So führt dies zu dem Verhalten, dass wir uns für etwas Besseres und Exklusives halten und von uns denken, dass wir perfekt sind und unsere Umwelt immer das Schlechte für uns will. Wir werden jeden wie einen Feind sehen und alle unsere Misserfolge werden wir auf andere schließen, statt einfach mal einzugestehen, dass wir selbst schuld sind.

Wer diese Stufe der selbstkritischen Haltung erreicht, wird erfüllt von Motivation und Tatendrang. Von Willenskraft und Demut. Denn man erkennt die Mängel im eigenen Selbst und an diesen kann und muss man arbeiten. Durch die Erkenntnis der eigenen Fehler, werden unsere Herzen weich und gebrochen vor unserem Herrn.

So wird im Musnad ʾAḥmad von Mūsā, Friede sei auf ihm, berichtet:

"Mūsā fragte: 'Wo soll ich dich suchen O Herr?'
Allāh antwortete: 'Suche mich bei denen, deren Herzen für mich gebrochen sind. Ich komme ihnen jeden Tag eine Armspanne näher. Würde ich dies nicht tun, so würden sie sicher verderben.' "

Wenn wir diese Gebrochenheit der Herzen anstreben, werden wir die Nähe zu Allāh spüren und wir werden spüren, dankbar und zufrieden zu sein, egal wo und unter welchen Umständen wir leben.

Samstag, 23. Juli 2016

Facebook Liebeskummer? #MuslimProblems

Aaach die Liebe. Schmetterlinge im Bauch und den ganzen Tag träumt man nur vor sich hin. Oder wie es heutzutage eher der Fall geworden ist: Rasierklingen im Bauch und den ganzen Tag depressive Stimmung.

Ja meine lieben Geschwister. Auch dieses Thema muss hier besprochen werden. Denn es ist leider ein Teil unserer aktuellen Realität geworden, dass die meisten jugendlichen Geschwister in sozialen Netzwerken in eine Liebeskomplikation gefallen sind. Entweder hat man es selber schon erlebt oder kennt Geschwister, die irgendwie da rein gerutscht sind. 

Zwischen den ganzen "Akhis" und "Ukhtis", die sich anhand gewisser Kriterien relativ schnell als Gleichgesinnte identifizieren, ergeben sich magische Momente des hin und her "likens" der Beiträge, bis dann eine diskrete Nachricht (in den meisten Fällen seitens des Bruders) kommt, dass man doch irgendwie Interesse an einem Kennenlernen hätte.

Die Variationen, wie es zu diesem Moment kommt, sind zahlreich. Einige tasten sich voran mit der Like-Methode, während andere gemeinsame Administratoren einer Seite sind und sich dann irgendwann gern haben oder auch aus ursprünglich sehr nützlichen Umständen, wie dass der Bruder/die Schwester der anderen Person in irgend einer Sache hilft, wie in Angelegenheiten der islamischen Fragen oder durch Korrekturen von Texten usw.

In all den Jahren, in denen ich so viele Geschichten in meiner Umgebung miterlebt habe, muss ich irgendwie doch gestehen, dass die Anzahl dieser Fälle beschämend hoch ist.

Am Ende schreiben dann beiden Seite immer mit der Einstellung, dass man doch alles innerhalb der Grenzen Allāhs machen will und dass alles auf "Ḥalāl"-Wege geht. Naja, leider klappt das in den meisten Fällen nicht so gut und es endet in einem Gefühlschaos. Es enstehen verschiedene Stufen der Zuneigung und mit der Zuneigung zerfallen die Grenzen, auf die man ja ursprünglich achten wollte und am Ende will man dann doch ernst werden, schaltet die Familien vielleicht (wenn es überhaupt dazu kommt) ein und es enstehen irgendwie Probleme und dann kracht alles zusammen. Und? Was bleibt? Zwei gebrochene Herzen. 

Daraufhin folgt das klassisch-manische liken von pseudo-depressiv eingestellten Seiten, wo den ganzen Tag tiefsinnige Zitate über die düsteren Seiten des Lebens gepostet werden. So weit das Szenario.

Ich möchte in diesem Artikel einige Denkfehler verdeutlichen, welche diese Geschwister eingehen und wozu das letztendlich immer führt.

Problem #1 : Interpretationsfreiheit

Eines der wichtigsten Probleme sind die Lücken, die beim Kennenlernen einer Person enstehen. Es ist klar, dass man nur das Beste vom Kuchen erfährt. Die Profile geben kein realistisches Bild einer Person ab und was macht man da natürlich? Ja genau! "Logischerweise muss diese Person exakt so gut sein, wie ich mir meine künftigen Partner/meine künftige Partnerin vorstelle. Er/Sie hat letztendlich ein Profilbild mit Bart/Niqab." Falsch! Es gibt eine sehr feine Linie zwischen realistischem ḥusnu ẓ-ẓann (gutes Denken von jemanden) und Leichtsinnigkeit. 

So sagt der Allwissende (Al-ʿAlīm) im Qurʾān:

"Doch sie folgen nur den Vermutungen. Aber wahrlich, die Vermutungen ersetzen niemals die Wahrheit." (Sūrah an-Naǧm -  Vers 28)

Diese Lücken, die man nicht füllen kann mit konkreten Informationen werden immer mit den Wünschen gefüllt, die man an einer Person hat. Träumerei nenne ich sowas. Die Tatsache, dass man sich überhaupt die Möglichkeit als offen hält, auf sozialen Netzwerken einen Ehepartner/eine Ehepartnerin zu finden, ist der eigentliche Grund, warum man überhaupt dazu geneigt sein könnte, jemanden mit so einem Auge zu betrachten.

Problem #2 : Probleme beim Suchen

Ja wir wissen alle, dass das Heiraten eine islamisch und menschlich notwendige und anzustrebende Sache ist. Und ja, die anderen Argumente wie "Es ist in Deutschland so schwer einen Bruder/eine Schwester auf Manhaǧ zu finden." Ja ja, immer der Manhaǧ. Dann gibt es noch die Sündenbock-Methode: "Die Moscheen und Gemeinden helfen nicht richtig." 

Was kommt natürlich als nächstes in Frage? Genau. Man geht auf eigene Faust in die Menge und sucht sich einfach den passenden Partner. Neben den vielen Methoden in der realen Welt, die mehr oder weniger ganz vernünftiger Natur zu sein scheinen, ergeben sich die sozialen Netzwerke für viele Geschwister als die passendste Stelle. Es ist alles diskret und man kann sich vieles zurechtbiegen, bevor man irgendwie zum Thema kommt.

Ich will hier auch die Methoden der sozialen Netzwerke nicht anprangern. Es gibt viele vernünftige Wege, wie man auch online zum guten Ergebnis kommt, aber leider sind die Fälle der unvernünftigen Art immer noch viel zu hoch.

Problem #3 : Gute Absicht

Und wenn man dann, wie auch immer, einen guten Eindruck von einer Person bekommen hat, fängt der Film mit dem Anschreiben an. Es mag sein, dass die Sache ganz sauber anfängt. Man hat eine gute Absicht, will sich kennenlernen, Eltern einschalten usw. usf. 
Wenn es dabei bleiben würde und es sofort zu der Eltern-Szene käme, wäre ja alles theoretisch gut. Aber leider ist das nicht so oft der Fall. Oft gibt es noch erstmal sowas wie "Ja, bevor die Eltern eingeschaltet werden, würde ich gerne noch einiges über dich erfahren." Warum? Ja wegen dem, was schon bei Problem #1 angesprochen wurde. Das meiste weiß man ja gar nicht. Jetzt müssen erst einmal einige Lücken mit echten Fakten gefüllt werden.

Ja und dann fängt der ganze Spaß immer an. Im "sachlichen" Austausch kommt es irgendwann zu Gefühlsentwicklung und die Tonart im Gespräch wird immer lockerer usw. Die wundersame Art und Weise, wie Männlein und Fräulein sich langsam aber sicher doch lockern ist ein Grund zur Vorsicht als auch ein Grund, den Schöpfer dieser Phänomene zu loben.

Der Rest ist dann bekannt. Islamische Ethik rückt in den Hintergrund. Grenzen werden überschritten und es wird maßlos und leichtsinnig gehandelt. Man redet sich vieles schön und entschuldigt auch vieles am eigenen Tun. Wie ein Gift wird die Sündhaftigkeit nicht einmal ein Problem für das Gewissen. 

Der Allweise (Al-Ḥakīm) sagt im Qurʾān:

"Und kommt der Unzucht nicht nahe - seht, das ist ein schändliche Sache und ein übler Weg." (Sūrah al-ʾIsrāʾ - Vers 32)

Die Weisheit der Sache steckt in den Worten des Allweisen. Die Gefühle des Menschen sind so, dass diese Komplikation zwischen den Geschlechtern jeden Menschen gleicherweise treffen kann. Ob man nun von denen ist, die den ganzen Tag im Dienste der Religion sind, oder ob man von denen ist, die eher passiv im Bezug auf die Religion sind. Das spielt keine Rolle. Der Weg beginnt immer mit dem Willen.

Problem #4 : Blindheit der Augen

Dieses Problem greift erst ein, wenn das Szenario anfängt, negative Aspekte zu bekommen. Wie ich bereits erwähnte, gehen diese Geschichten meist in die Hose und bis es ganz zusammenbricht, durchleben beide Seiten einige Konflikte. Kummer, Leid, Ausweglosigkeit, Frust durch Hoffnung und viele weitere Aspekte greifen in unterschiedlichen Momenten ein. 

Diese Probleme beginnen oft klein und werden dann immer schmerzhafter, umso länger man versucht, verkrampft an dem Plan festzuhalten.

Und hier ist das große Geheimnis des Schicksals, welches der Aufrechterhaltende (Al-Qayyūm) auf feinste Art und Weise bestimmt hat. Unser erhabene Herr hat die Angelegenheiten des Herzens so fein gestaltet, dass man das Herz oft eigentlich als Wegweiser nutzen sollte. So wie in einigen ʾAḥādīṯ berichtet wird, empfahl der Prophet, Friede und Segen seien auf ihm, dass man in bestimmten Unklarheiten auf sein Herz hören sollte. 

Unsere Beziehung zu Allāh ist wie ein Handel, bei dem wir Gute Taten vorausschicken, damit diese auf uns zurückwirken als eine Gunst von Allāh. Gleicherweise ist es aber auch mit den schlechten Taten, die wir genau so vorausschicken und oft deutliche Antworten im Schicksal erleben, aber leider geblendet sind, um zu erkennen, was Allāh uns damit sagen will/wollte.

Oft lösen wir Probleme, die uns den Kopf zerbrechen und wenn wir zurückschauen denken wir uns, wie eindeutig doch die Lösung war. Daher ist es sehr wichtig zu wissen, dass man diese eindeutigen Lösungen schon am Schicksal abliest, wo man es noch auf nützliche Art umsetzen kann.

Der (der die Sünden) Verdeckende (As-Sattār) sagt im Qurʾān:

"Was dich an Gutem trifft, kommt von Allāh und was dich an Schlechtem trifft, kommt von dir selbst." (Sūrah an-Nisāʾ - Vers 79)
Im Vers davor heißt es jedoch "Alles ist von Allah" (Vers 78)

Šayḫ al-ʾIslām ibn Taymiyya, möge Allāh sich seiner erbarmen, schrieb zu diesen Versen ein ganzes Buch, worin er einige Aspekte des Schicksals und ihre Lehren verdeutlicht.

So sagt er sinngemäß, dass es sich bei diesen Vers um das Gute und das Schlechte in Form von Taten und Resultaten handelt. 

Während die Taten alle mit unserem Willen beginnen, ist die Verwirklichung unserer schlechten Taten von uns selbst, während die Verwirklichung der guten Taten von Allāh kommt, indem er diese segnet und fördert.

Daraufhin folgen Resultate, die gänzlich von Allāh sind. Haben wir etwas Gutes vorausgeschickt, kommt etwas Gutes. Haben wir etwas Schlechtes vorausgeschickt, kommt etwas Schlechtes.

Auf das angesprochen Problem angewendet, bedeutet dies, lieber Bruder/liebe Schwester, folgendes: 

Wenn Allāh dir dein Vorhaben in Form von Kummer und Leid erschwert und dir Probleme macht, dann nur, weil dein Herz sich bei deinem Herrn beschwert, dass du es in die Sünde gezwungen hast. Wenn Allāh dir das Leben zu einem Ort des Leides macht und graue Wolken aufziehen, dann wisse, dass dein Herz zurück möchte zu Allāh. Denn auch wenn du es nicht weißt... dein Herz weiß, dass wenn Allāh etwas für dich als gut bestimmt hat, dass du auf diesem Weg keine Probleme haben wirst. Wenn doch das Licht der Himmel und der Erde dein Wegweiser ist! Wisse, dass du nicht zu erwarten hast, dass dieser Herr, der Weichmütige (Al-Ḥalīm) dir den Weg zum Guten mit Leid und Kummer pflastern wird.

Verwechsel nicht das Leid, welches die Geprüften erleiden, mit deinem Leid. Während die Geprüften ein Leid im Guten erleben, ist das Leid der Sündigen, nur das Resultat ihrer vorausgeschickten Sünden.

Mittwoch, 20. Juli 2016

Popkultur Islam? Oder doch eher Hollywood?

Der Mensch braucht Idole. Dies hat der Preiswürdige (Al-Ḥamīd) als eine Wahrheit in unsere Natur gelegt. Führer und starke Persönlichkeiten. Gelehrte und Menschen mit Vision. 

"Dies ist ein Buch, das Wir zu dir herabgesandt haben, auf dass du die Menschen mit der Erlaubnis ihres Herren aus den Finsternissen zum Licht führen mögest, auf den Weg des Erhabenen, des Preiswürdigen." (Sūrah Ibrāhīm - Vers 1)

Allāh, der Erhabene (Al-ʿAzīz) und Preiswürdige (Al-Ḥamīd), hat uns in diesem und solcherlei ähnlichen Versen davon berichtet, wie er die Propheten sendet, auf dass sie die Menschen führen mögen von der Dunkelheit ins Licht. Das Licht unseres Herrn, der die Wege erleuchtet und der das Licht der Wahrheit selbst ja ist, so wie Er im Qurʾān sagt:

"Allah ist das Licht der Himmel und der Erde." (Sūrah an-Nūr - Vers 35)

Dieses Licht ist nicht einfach ein Licht, wie das Licht der Sonne, sondern es ist das seelische Licht, was der Wohlhabende (Al-Ġaniyy) uns erleben lässt, wenn wir unsere Herzen für die Rechtleitung öffnen. Wenn wir die Wahrheit akzeptieren und uns auf seinen Weg begeben.

Doch nun kommen wir zum Thema dieses Artikels. Wir Muslime leiden an einem Idolmangel. Es ist klar, dass wir nach dem Ableben des letzten Propheten, dem gesegneten Propheten Muḥammad, endlose Segenswünsche seien auf ihm ausgesprochen, keine Prophetenschaft mehr erleben werden. Wir sind also auf das Lebensbeispiel des Propheten angewiesen. Dieses vorbildhafte Lebensbeispiel des Propheten wird uns zugetragen durch die Gelehrten, die diese Weisheit und diese Vorbildlichkeit geerbt haben und uns dies in Form von Wissen überreichen.

Nun, die Gelehrten sind zahlreich, die Bücher sind zahlreich, doch die Herzen sind verschlossen. Wir haben so viel Zugang zu Belehrung, in allen Sprachen. Wer sich die Mühe macht und auch machen sollte, kann dann auf die Sprache des Ursprungs dieser Botschaft, also auf das Arabische zurückgreifen, diese erlernen und sein Leben lang davon profitieren.

Aber legen wir dies mal zur Seite und nehmen uns das Material vor, was jeder in seiner eigenen Sprache vorfindet. Es gibt zahlreiche Übersetzungen, die gelesen und in unserer Lebenswirklichkeit praktisch umgesetzt werden müssen. Tun wir das? Nein. Ganz gewiss nicht.

Wir sind von einem Lebensstandard umgeben, der uns das Wissen sehr langweilig und anstrengend macht. Wir sind bereit, beim hoch und runter scrollen kurze Videos von wenigen Minuten anzuschauen und freuen uns über schöne Bilder, die mit Gelehrtenaussagen und ʾAḥādīṯ geschmückt sind. Alles muss schön verpackt sein, am besten bildlich dargestellt, animiert, illustriert und was noch alles dazu gehört. Hauptsache wir machen uns keine Mühe ein Buch aufzumachen. 

Und dann gibt es ja noch die Hollywood-Action. Alles muss in Szene gesetzt werden. "Extrem-Ǧihād Productions präsentiert - Widerlegung der totalen Murtaddīn!"

Brüder mit viel Talent in der Videobearbeitung und in technischer Umsetzung arbeiten stundenlang für so viele Videos, die am Ende vollkommen nutzlos sind. Die einen widerlegen die anderen, dann widerlegt man zurück und dies findet kein Ende. Man könnte meinen, die Muslime haben einfach die Underground-Rap-Battles für sich übernommen.

Alles wird in Szene gesetzt. Und dann wird genau nach diesem Muster immer etwas Vorbildhaftes erzeugt. Die harten Widerleger, oder die mutigen Männer, die in den Ǧihād nach Syrien ziehen, die "wahren Männer", die "Löwen der Ummah" usw.

Ich will hier nicht bewerten, wer in welcher Art und Weise das Richtige oder Falsche tut. Fakt ist jedoch, dass wir als Muslime stark darin versagen, auf den Boden zu bleiben. Wir sind durch und durch von dieser Hollywood-Action Neigung eingenommen worden und richten unsere Begeisterung und unser Interesse danach aus, wer uns seine Machenschaften auf optisch und rhetorisch schönste Weise auftischen kann.

Wir müssen zurückkehren liebe Geschwister. Zurück auf den Boden der Sachlichkeit. Zurück zu den Büchern, zu den langweiligen Buchstaben und Sätzen, zu den langweiligen zwei bis vierhundert Seiten.

Ja wir müssen zurückkehren zur Langweile. Das Leben geht nämlich sehr schnell vorbei. Strebt nach dem Wissen. Nehmt euch die Zeit und strengt euch an und spürt bei dieser Anstrengung jede Sekunde auf dem Weg des Wissens. So wird euer Tag lang genug sein und ihr werdet merken, wie gut euch das Wissen tut. Wie sehr es euren Geist und euren Verstand weitet. Wie sehr es die Herzen erfüllt. Ihr werdet euch für eure Vergangenheit schämen, in der ihr voreilig viele falsche Dinge gesagt habt. Ihr werdet bescheiden und ihr werdet vorsichtig. Ihr werdet so vieles... aber all das,... all das will der Teufel nicht. Denn wenn ihr so weit kommt, dann seid ihr nämlich vernünftig... und vernünftige Leute sind viel zu nützlich für diese Ummah, als dass der Teufel sich das erlauben könnte, nur einen von uns zu den Büchern und zum Wissen zurückkehren zur lassen.


Montag, 18. Juli 2016

Depressionen? Nicht mit mir!

Es ist eine unausweichliche Wahrheit, dass Leid auf dieser Welt herrscht. Diese Wahrheit wird aber erst ein Problem, wenn man sich das Leid dieser Welt nicht erklären kann. Wenn man alle Probleme, alle Sorgen und alles Leid, was man selbst erlebt und solche, die man bei anderen beobachten kann, nicht richtig verarbeiten kann, entsteht ein innerer Konflikt der Ausweglosigkeit. 

Wie bei allen anderen Konflikten bietet unsere Religion auch hier zahlreiche und sehr simple Erklärungen und Lösungen. Doch damit ist die Sache leider nicht gegessen, denn die Lösungen allein bringen nichts, wenn die Menschen nicht darum bemüht sind, diese auch anzuwenden. 

Der Herrscher (Al-Malik) sagt im Qurʾān:

"Wisset, dass das diesseitige Leben wahrlich nur Spiel und Zeitvertrieb ist und Schmuck und Geprahle unter euch und ein Wettrennen um Vermehrung von Besitz und Kindern. Es gleicht dem reichlichen Regen, dessen Pflanzenwuchs den Säern gefällt. Dann verdorrt er und du siehst ihn vergilben, dann wird er brüchig. Und im Jenseits gibt es eine strenge Strafe, aber auch Vergebung und Wohlgefallen von Allah. Und das diesseitige Leben ist nichts anderes als eine Nutznießung, durch die man sich betören lässt." (Sūrah al-Ḥadīd - Vers 20)

Hier erinnert uns unser gnädiger Herr daran, was die Realität der Menschen ist. Zuallererst gibt er die Probleme und das Streben der Menschen wieder. Daraufhin erklärt er uns aber, dass wir im Jenseits auf zwei mögliche Ausgänge hinauslaufen können. Strafe oder Vergebung/Gnade. Und wie erreichen wir diese? Durch die Nutzung der Welt und die Umstände darin. Dieser Vers fasst in einer kurzen "Formel" zusammen, welche Umstände der Mensch durchläuft und was für ihn wichtig sein sollte im diesseitigen Leben.

Damit wir diesem Verhältnis bewusst werden schauen wir weitere Verse im Qurʾān an, in denen der Erhabene (Al-ʿAzīz) sagt:

"Sie freuen sich des irdischen Lebens, doch das diesseitige Leben ist im Vergleich mit dem jenseitigen nur ein vergänglicher Genuss." (Sūrah ar-Raʿd - Vers 26)

"O mein Volk, das Leben auf dieser Erde ist wahrlich nur ein vergänglicher Genuss - und das Jenseits allein ist wahrlich die dauerhafte Bestimmung." (Sūrah al-Ġāfir - Vers 39)

Wer sich dieser gewaltigen Wahrheit bewusst wird, wird erkennen, dass die Sorgen und Probleme dieser Welt nicht von belang sind. Sei es die Ungerechtigkeit, die manchen zustoßt oder der Kummer, der einige befällt. Sei es die Lüge und der Betrug, die Unaufrichtigkeit und das unsittliche Verhalten anderer. 

Es bekommt alles die Ebene des Belanglosen, wenn wir uns von der Stellung des Jenseits bewusst werden. Wenn wir einfach mal realisieren, was die Unendlichkeit bedeutet. Das unvergängliche und unendliche Leben. Darüber sollten wir oft nachdenken und uns darüber bewusst werden, was wir erreichen können.


Denn egal, was uns passiert, haben wir eine Lösung von unserem Schöpfer (Al-Ḫāliq) erhalten:

"Flieht darum zu Allah!" (Sūrah aḏ-Ḏāriyāt - Vers 50)

"Und das Jenseits bei deinem Herren ist für die Gottesfürchtigen." (Sūrah az-Zuḫruf - Vers 35)

Ein jeder von uns muss sich mit der Gottesfurcht ausrüsten und sich auf dem Weg zu unserem Herrn machen, damit wir bei ihm die Stufen der Geehrten erlangen.

"Der beste Proviant ist die Gottesfurcht." (Sūrah al-Baqarah - Vers 197)

"Wahrlich, die Gottesfürchtigen sind inmitten von Gärten an Bächen - in einem würdigen Wohnsitz in der Gegenwart eines mächtigen Königs." (Sūrah al-Qamar - Verse 54 u. 55)

Und zu der Gottesfurcht gehört, dass wir die Prüfungen dieser Welt mit Aufrichtigkeit und Geduld ertragen. Dass wir den Wert dieser Welt nicht überbewerten und Allāhs Plan nicht in Frage stellen. Dass wir einsehen, dass egal was passiert, der Ausgang für die Gottesfürchtigen das Gute sein wird.

"Fleht Allah um Hilfe an und seid geduldig. Wahrlich, die Erde gehört Allāh - Er vererbt sie unter Seinen Dienern, wem Er will - und der gute Ausgang ist für die Gottesfürchtigen." (Sūrah al-ʾAʿrāf - Vers 128)

"Und fordere deine Leute zum Gebet auf und übe dich selbst darin ausreichend. Wir verlangen von dir keine Versorgung - da wir dich doch versorgen. Und der gute Ausgang ist durch die Gottesfurcht." (Sūrah Tāhā - Vers 132)



"Und Allāh ist der beste Planschmied." (Sūrah āli ʿImrān - Vers 54)

Samstag, 16. Juli 2016

Die Gefahr von Begriffen

Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen von allen Seiten beeinflusst werden. Die Reize und Informationen, die wir tagtäglich verarbeiten müssen, sind so vielfältig, dass viele Muslime leider daran scheitern, die Richtigkeit und Wichtigkeit der Informationen abzuwägen und zu überprüfen.

Jeder Gläubige wird sich dieser Verantwortung bewusst, wenn er davon hört, dass es eine Pflicht für uns Muslime ist, Wissen zu erwerben. Jedoch ist es leider so, dass viele Muslime unter den Druck der ganzen Informationen geraten und diese Zeit, in der man über das erworbene Wissen nachdenkt, zu kurz kommt.

Da dies für viele Muslime eine Schwierigkeit darstellt, ergibt sich bei vielen der Prozess der Vereinfachung. Das Wissen wird nur noch in Form von Mustern und Begriffen verarbeitet und nicht so, wie man es eigentlich verarbeiten sollte. Denn eigentlich sollte nicht nur Wissen erworben werden, sondern vielmehr auch verdaut und analysiert werden.

Warum ist das, was ich von diesem Gelehrten lese für mein Leben und für das Leben der Muslime wichtig? Warum hat unser Herr dieses und jenes Urteil erlassen? Welche Weisheit steckt dahinter? Solche und solcherlei Fragen sind wichtig, damit wir verstehen, welche Weisheiten und welche Absichten hinter dem Wissen stecken. Dadurch können wir unser Verständnis über Allāh, Lob und Preis auf Ihm, erweitern und eine tiefe Beziehung zu ihm aufbauen.

Jedoch ist es so, dass unser Ego (Nafs) zur Einfachheit neigt, wenn die Situation zu schwer wird.

So sagt der Allwissende (Al-ʿAlīm) im Qurʾān:

"Wahrlich befiehlt das Ego immer wieder das Schlechte, außer denen, denen sich mein Herr erbarmt." (Sūrah Yusuf - Vers 53)

Und diese Schlechtigkeit zeigt sich darin, dass wir dem Wissen nicht gerecht werden.

Ein großes Problem, welches die Menschheit immer wieder belastet hat, ist die Vereinfachung des Wissens durch Begriffe.

Man erzeugt Vorstellungen von bestimmten Begriffen, die an sich sehr viel feiner betrachtet werden müssen. Wörter, die an sich viel Erklärung bedürfen, werden verwendet, um sich damit zu bekämpfen und zu beschimpfen.

Das beste Beispiel sind Bezeichnungen von Gruppierungen. Eine Vorstellung von einer Gruppierung wird verbreitet und viele Menschen nehmen dies an und nutzen diese Begriffe nun als Kampfbegriffe, um jemanden zu diskreditieren und zu beleidigen.

Auf der anderen Seite werden andere Begriffe verheiligt und genutzt, um ein Gefühl von Exklusivität und Besonderheit zu erzeugen.

Um einige Beispiele zu nennen:
"Der Soundso ist ein Taġūt."
"Demokratie ist Kufr."
"Diese Leute gehören zu den Murǧiʾah."
"Wir sind die wahren Muwaḥḥidūn!"

Dies ist ein großes Problem, welche die Gelehrten schon oft genug angesprochen haben. Die Muslime fixieren sich auf Begriffe und ein mancher könnte keinen von diesen Begriffen erklären, aber sagen, welche Personen unter diese Begriffe fallen.

Es ist wichtig, dass wir als Muslime klare Worte äußern. Wir müssen wissen, was wir sagen und wir dürfen unsere Religion nicht zu einer Sprüche-Religion reduzieren.

Jeder muss sich bewusst darüber werden, dass er ganz genau weiß, worüber er redet. Daher ist es wichtig, dass wir Inhalte und Informationen nicht einfach so auswendig lernen und wiedergeben, sondern das Gelernte auch verarbeiten und durchdenken.

Freitag, 15. Juli 2016

Schutz und Befreiung von Allāhs Bestrafung

Zu den wichtigsten Mitteln, die einem Gläubigen zur Verfügung stehen, gehört das Gedenken Allāhs (ḏikrullāh).

Allāh, gepriesen und erhaben ist Er, sagt im Qurʾān:

"Und das Gedenken Allāhs ist wahrlich das Höchste." (Sūrah al-ʾAnkabūt - Vers 45)

Das Gedenken unseres Herrn führt dazu, dass wir unsere Herzen an Ihn erinnern. Woraufhin wir unser Bewusstsein über Allāhs Allmacht auffrischen, so dass wir daran denken, dass er der Allsehende und Allwissende ist und Er uns in diesem Moment gänzlich erfasst, ohne dass Ihm eine Sache entgehen könnte.

Dies bedingt natürlich, dass wir dabei auch über die Bedeutung der Worte nachdenken, die wir zu Seinem Gedenken aussprechen.

Zusätzlich zu diesem großen Nutzen gewährt uns der unaufhörlich Gebende (al-Wahhāb) noch vielerlei Vorzüge, wenn wir Seiner Hochheit gedenken.

Hierzu gehört, dass wir uns vor einer Strafe beschützen und von einer bestehenden Last befreien können.

Der Allgnädige (Ar-Raḥmān) spricht im Qurʾān:

"Und Allāh würde sie nicht bestrafen, solange du (Muḥammad) unter ihnen weiltest; und Allāh würde sie nicht bestrafen, solange sie um Vergebung bitten." (Sūrah al-ʾAnfāl - Vers 33)

Durch das Ersuchen Seiner Vergebung kann der Diener der Bestrafung entgehen und sich von der Last seiner Sünden befreien. Denn die Gnade Allāhs trifft auf die, die aufrichtig glauben, in Form von Prüfung und Strafe. Doch diejenigen, die mit voller Aufrichtigkeit um Vergebung bitten, können die große Gunst der Entlastung erfahren, ohne dass sie eine Strafe ereile.

Daher sollten wir uns bemühen, regelmäßig mit vollem Bewusstsein um Vergebung zu bitten. Dazu können wir ʾAḏkār wie folgende sprechen:
ʾAstaġfirullāh (Ich ersuche Vergebung bei Allāh!)
ʾAstaġfirullāh wa ʾatūbu ʾilayh (Ich ersuche Vergebung bei Allāh und ich kehre reumütig zu Ihm zurück).

Wenn uns jedoch die Härte und Strafe eingeholt hat, so sollten wir wissen, wie wir darin unserem Herrn zu gedenken haben.

So sagt der Beschützer (Al-Muhaymin) im Qurʾān:


"Wenn er (Yūnus) nicht von denen gewesen wäre, die (Allāh) lobpreisen, so wäre er gewiss in seinem Bauch (des Wals) bis zum Tage der Auferstehung geblieben." (Sūrah aṣ-Ṣāffāt - Vers 143-144)


Das bedeutet für uns, dass die Lobpreisung ein Grund für die Befreiung von der Strafe ist und unseren Zustand bessert.

Daher sollten wir stets den Herrn der Welten preisen. Hierzu empfiehlt es sich, folgende ʾAḏkār zu sprechen:
Subḥānallāh (Gepriesen sei Allāh)
Subhānallāhi wa biḥamdih (Gepriesen sei Allāh und Lob sei ihm)

So lehrt uns unser Herr die Wege, zu ihm zurückzukehren und die Gnade, die er uns erweist, an uns zu spüren, auf dass sich unsere Glaubensstärke steigert und unsere Liebe zu Ihm zunimmt.

Das Problem bei den Meinungsverschiedenheiten im Fiqh

Kamāl ad-Dīn al-Udfuwī¹ (gest. 747 n.H.): „Bei den umstrittenen Rechtsfragen (masāʾil al-ḫilāf), zu denen kein spezifischer und definitiver ...